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Channel: Stadtentwicklungsausschuss – PIRATEN Jena
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SEA 28.05.2015: Volkszorn ohne Mistgabeln

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ChiliVor dem Rathaus ist es heute ruhig. Eigentlich hatte ich Kleingärtner mit Mistforken erwartet. Gerade will ich gemeinsam mit einem interessierten Bürger an der Trägheit der Masse verzweifeln, als das ganze Ausmaß der Invasion deutlich wird. Platz ist im Plenarsaal nur noch in der Mitte des Tischvierecks, ansonsten ist jeder Quadratzentimeter mit verdrossenen Bürgern gefüllt. Erste Herausforderung: durchkämpfen zu meinem Sitzplatz. Ich bin schlecht im Schätzen, aber jedenfalls ist es deutlich voller als bei der Inselplatz-Debatte. Das Publikum ist penetrant diszipliniert. Es sitzt da und ist ein fleischgewordener Vorwurf. Auffällig ist, dass es gar nicht lauter alte Leute sind, deren Gartenbedarf sich demnächst wegen Umzugs ins Altersheim klärt. Mitnichten.
Ich bemerke, dass ich heute morgen vergessen habe, meine Unterlagen auf den Laptop zu kopieren. Zum Glück gibt es WLAN, aber meine ganzen schönen Notizen sind natürlich zu Hause. Es ist eindeutig nicht gut, erst mitten in der Nacht vom Stadtrat nach Hause zu kommen …

Öffentlicher Teil

1. Tagesordnung

Elisabeth Wackernagel beantragt, die TOP 5 & 7 gemeinsam und zuerst zu behandeln. Aha, ich habe auch noch die falsche Tagesordnung kopiert. Bei mir sind es 7 und 9. Das liegt daran, dass die Protokollkontrolle der letzten Sitzung entfällt. Protokoll ist noch nicht. Für einen Moment stelle ich mir vor, die Vorsitzende könnte an dieser Stelle den nichtöffentlichen Teil aufrufen – mit gefühlt hundert dichtgepackten Gärtnern.

7. Wohnen in Jena 2030

Vorlage: 15/0370-BV

9. Einleitungsbeschluss für den Bebauungsplan B-Wj 15 „Wohnen am Jenzigfuß“ und Einleitung einer Teiländerung des Flächennutzungsplanes

Vorlage: 15/0427-BV
1. Lesung; zzgl. Ortsteilrat Wenigenjena
Die Stadt hat ihre Vorzugsflächen definiert: Bachstraße (nachvollziehbar), Eichplatz (ein Vorgriff auf die Bürgerbeteiligung, deren Ergebnis offenbar schon wieder feststeht) und Jenzigfuß (was uns einen Raum voller Kleingärtner beschert hat).
Stadtarchitekt Matthias Lerm erklärt, warum man ausgerechnet mit dem Jenzigfuß beginnen will, fängt aber erst einmal mit Bebauungsplänen von 1920 an, die nichts damit zu tun haben. Hier die Argumente: liegt im Radius 1 bis 1.5 km am Stadzentrum (Google meint, es wären 2.3 km), Schulneubau in unmittelbarer Nähe, Sportanlagen, Ostbad, Zeltplatz???, Straba-Anbindung. Den Zeltplatz finde ich besonders witzig. Klar, seine Wochenenden verbringt man auf dem Zeltplatz in bequemer Laufentfernung, da kann man mal schnell heim laufen, wenn man den Gaskocher vergessen haben sollte.
Geplant sind Stadtvillen – lt Lerm 6-, 7-, 8-Familien-Häuser mit „städtisch anmutender Kompaktheit“ und individuelle Reihenhäuser, um der Vielfalt der in Jena tätigen Bauträgerszene Möglichkeiten zur Betätigung zu geben. Später führt er immer mal wieder die moderaten Mietpreise auf der anderen Seite der Karl-Liebknecht-Straße an, aber wer glaubt, dass die im Neubau auch so sein werden, der glaubt auch an den Klapperstorch.
Herr Rudolph von den Kleingärtnern spricht. Sein Problem: über 100 Kleingärten nach Bundeskleingartengesetz fallen weg (bisher sind schon 200 Gärten weg: Friedensberg, Straba-Bau, Birnstiel, ?). Es gibt bisher keine Leerstände. Die Nachfrage nach Gärten ist groß, in einzelnen Anlagen gibt es bereits Wartelisten. Prognose war Leerstand von 85 Gärten in diesem Jahr – gibt es aber nicht. Kritisiert die Hast der Entscheidung.
Rosa Maria Haschke (CDU) als Ortsteilbürgermeisterin beschwört die Bedeutung des Jenzig für Jena. Da gibt es eine dicke Portion Populismus – aber ob die bis zur Abstimmung reicht?
Lerm meint, Kleingärten seien in der DDR zusammen mit dem Plattenbau aufgeblüht. Das erzeugt große Heiterkeit – die Jenzig-Anlage ist viel älter. Er meint, man wolle heute die Wege zwischen Garten und Haus nach Möglichkeit reduzieren. Klingt irgendwie nett, oder? Mehr als die Hälfte der Gärten sollen erhalten bleiben. (Lt. Erhebung zur Gartennutzung in Jena liegt ein Großteil der Kleingärten ohnehin in Laufentfernung von den Wohnungen.)
Ich kritisiere das Wohnbaukonzept, das die soziale Spaltung mit „preiswertes Wohnen in Lobeda und Winzerla“ festzunageln versucht, und die Kleinkariertheit der Vorlage, die gar nicht auf die Idee kommt, man könnte Wohnungen auch anderswo in der Stadt oder ihren Ortschaften bauen. Außerdem fordere ich eine Prüfung der Kaltluftschneise im Gembdental – Kaltluftschneisen sind eine wunderbare Sache.
Reinhard Wöckel (Linke) freut sich, dass ich vor ihm gesprochen habe. So hat er sich seit dem letzten Lermschen Beitrag inzwischen beruhigt. Der einzige Mensch, der sich in aller Ruhe aufregen kann. „Herr Peisker, ich frage Sie: Was haben Sie mit der Stadt vor?“, donnert er gemächlich. Er ärgert sich, dass der Beschluss in 21 Tagen durchgepeitscht werden soll. „Danach gibt’s keine Prämie mehr“, sagt ein Gärtner hinter mir. Wöckel fragt nach, ob die Ausgleichsfläche für die Gärten in Lobeda-Ost gesichert ist. Dezernent Denis Peisker sagt, im Juni würde eine entsprechende Vorlage in den Stadtrat kommen. Am 10.06. wird der Werkausschuss KIJ darüber entscheiden. Das Publikum interpretiert das Geeier als „Nein“.
Heidrun Schrade fragt sich, wie ein Grüner unterm Jenzigfuß bauen wollen kann. Das führt zu stürmischem, langanhaltendem Beifall.
„Die generelle Planung geht von den Wohnmillieus, den Wohnzielgruppen aus“, sagt Lerm im Zusammenhang mit Lobeda. Damit hat er den nächsten Fettnapf getroffen. Man könnte meinen, er sei nicht in der DDR aufgewachsen. Und die Nachverdichtung ist alternativlos.
Frank Cebulla zerpflückt zunächst die Beschlussvorlage „Wohnen in Jena 2030“, die er für die Komplexität des Problems für eindeutig zu dünn hält. Außerdem mahnt er Bürgerbeteiligung an.
Markus Giebe (SPD) übernimmt heute den Part, alle Äußerungen der Opposition unsachlich und doof zu finden. Danke für die Gardinenpredigt. Hat aber wenigstens Fragen.
Lerm führt aus, dass Privatgärten nicht ersetzt werden müssen. Deshalb reichen 115 Gärten als Ersatz für 150 Gärten. Heute wollen nur halb so viele 30- bis 40-Jährige einen Garten, meint er, weil wir heute ganz andere Möglichkeiten – beispielsweise die Reisefreiheit. Wer reisen kann, der braucht keinen Garten. Aha.
18:45 erklärt Elisabeth Wackernagel, dass sie mit dem TOP 19:00 Schluss machen will. Die Bevölkerung murrt.
Peisker beantwortet mit einem klaren „Nein“, dass bereits ein Investor vorhanden sei, der am Jenzigfuß bauen will. Das hatten die Medien berichtet.
Julia Langhammer regt sich darüber auf, dass von den Zielstellungen des letzten Wohnkonzeptes praktisch nichts umgesetzt und in die neue Vorlage übernommen wurde, etwa die Stärkung des sozialen Wohnungsbaus und der Belegungsbindung.
Der Zeitdruck führt zu Tumult, denn die Gärtner wollten eine Entscheidung (zu ihren Gunsten, klar), und haben Gerede bekommen.
Wackernagel: „Meine Damen und Herren, bisher war Disziplin… !“
Gärtner: „Wir dürfen ja nichts sagen!“
Natürlich überziehen wir die willkürlich festgelegte Zeit.

8. Städtebaulicher Vertrag über die Ausarbeitung der städtebaulichen Planung für die Wohnbauflächen „Beim Mönchenberge“ im Ortsteil Zwätzen

Vorlage: 14/0249-BV [ca. 18:20 Uhr]
Das ist das Barackengrundstück in Zwätzen. Es sollen um die 400 Wohneinheiten entstehen (Fakt am Rande: in „Wohnen in Jena 2030“ sind nur 300 aufgelistet – die Differenz entspricht der Wohnungszahl, die man am Eichplatz bauen wollte.) Man diskutiert intensiv über genossenschaftlichen oder sozial geförderten Wohnungsbau (1 Quartier). Da hat wohl jemand beim vorhergehenden TOP gut zugehört. 2 der 4 Quartiere sollen als Eigentumswohnungen verkauft werden. Das Konzept sieht Gewerbe/Nahversorgung/Gaststätte an der Naumburger Straße vor und ein Quartier für Studenten und Senioren – interessante Mischung. Jedes der vier Quartiere soll eine Tiefgarage haben. Es sind 4- bis 5-Geschosser geplant. Der Bestandswohnblock hat 100 Wohneinheiten – wird aber radikal umgebaut.
Ankündigung: am 23.06.2015, 18:00 Uhr in der Rauhtalschule öffentliche Ausstellung des Vorentwurfs
9/0/0 – einstimmig angenommen

4. Absicht zur Verbesserung bzw. grundhaften Erneuerung der „Bauersfeldstraße“ im Rahmen der der Wohnumfeldverbesserung Winzerla

Vorlage: 15/0306-BV
Wiedervorlage aus der Sitzung vom 23.04.2015
Inzwischen gibt es eine Stellungsnahme des Ortsteilrates, und die ist positiv.
9/0/0 – einstimmig beschlossen.

5. Abwägungsbeschluss zum 4. Entwurf der ersten Änderung des Bebauungsplans mit integriertem Grünordnungsplan B-Is 01 „Im Semsenfleck und am Vogelherde / Im Kessel“

Vorlage: 15/0435-BV
Im Abwägungsbeschluss stehen in allen vier Auslegungen seit 1995 vehemente Einwendungen der Stadt Weimar, die einen weiteren Abfluss von Kaufkraft befürchtet – was absolut gerechtfertigt ist. Die fließt bereits. Aber man meint, für ein Oberzentrum wie Jena sei das völlig in Ordnung. Wir sind der Schulhofschläger von Thüringen …
Friedrich-Wilhelm Gebhardt (SPD) fragt mich, ob wir bei jeder derartigen Planung jetzt die Nachbarstädte fragen sollten oder ob wir nicht selber Stadt genug wären. Ich finde, das sollten wir – einerseits von gesetzeswegen und andererseits weil gute Nachbarschaft auch etwas wert ist. Das krampfige Konkurrenzgerangel unter den Thüringer Weltmetropolen geht mir auf die Nerven. Weimar nimmt uns ja auch ein oder zwei Tagungen pro Jahr weg – ein absoluter Grund, ein Konferenzzentrum zu bauen.
Auch wenn es nichts nutzt – ich enthalte mich wenigstens aus grundsätzlichen Erwägungen.
8/0/1

6. Satzungsbeschluss für die Erste Änderung des Bebauungsplans mit integriertem Grünordnungsplan B-Is 01 „Im Semsenfleck und am Vogelherde / Im Kessel“

Vorlage: 15/0436-BV
Das ist Teil 2 des Beschlusses, und ich enthalte mich wieder.
8/0/1

10. Entwicklungskonzept Einzelhandel Jena 2025

Vorlage: 15/0415-BV
GO-Antrag, das als 1. Lesung zu behandeln. 5/3/2? angenommen. Wäre auch arg viel gewesen, die etwa 600 Seiten der nächsten beiden TOP endgültig zu diskutieren.
Stephan Holl/ Sophie Männel (GMA) stellen das Konzept vor.
Diverse Erkenntnisse:
– Verkehrsvermeidung widerspricht der Angebotsbegrenzung in Wohngebietszentren/Nahversorgung.
– Jenalöbnitz hat eine Kaufkraft von 106.6, Schmiedehausen 76.5, Jena 94.5 – ein Querschnitt durch das Einzugsgebiet. Schmiedehausen ist ein Dorf bei Bad Sulza. Wieder was gelernt.
– Kaufkraft im Einzugsgebiet sinkt bis 2025, weil die Einwohnerschaft um 21.000 sinkt. Da sie in Jena weiter wächst, ist das gar nicht gut für die Zentralität – aber diesen Zusammenhang stellt mal wieder keiner her.
– Die Flächenproduktivität (Umsatz pro Einzelhandelsfläche) lag 2012 in Jena bei 2.900 €/m²*a. Das ist ziemlich niedrig. Aber wenn einer denkt, daraus würde man schlußfolgern, dass wir so langsam genug Fläche haben, dann irrt er.

Ich frage nach der statistischen Relevanz der Bürgerbefragung, weil mir 188 Jenaer recht wenig vorkommen, um daraus irgendwas abzuleiten. Und was sagt Dr. Holl? „Ich würde mich nicht von Bürgerbefragungen abhängig machen.“ Und weiter: „Wenn man sich nur an Bürgermeinungen orientiert, hat man am Ende vielleicht schön gestaltete Plätze und ein Idyll, was man wenige Schritte weiter sowieso findet.“
Ja, schön gestaltete Plätze stören nur die Attraktivität der Einkaufscenter. Was wollen wir eigentlich? Eine Stadt, in der sich die Einwohner wohlfühlen – oder mehr Umsatz für die Ladenketten?
Es werden zwar die Ergebnisse der Bürgerbefragung referiert, aber das war nur als „Stimmungsbild“ gemeint, und die Frage nach der Attraktivität der Innenstadt ist ihnen erst hinterher eingefallen. Suggestion war nie beabsichtigt
Ich frage auch nach den auffälligen Versorgungslöchern. Bei den Außengemeinden ist man das ja schon fast gewöhnt, aber auch Lichtenhain und Ammerbach sind Versorgungswüsten. Ich laufe fast einen Kilometer bis zum nächsten Laden – irgendeinem Laden.
Dr. Holl dazu: „Die Abstimmung findet zu Fuß statt, und die Füße bedienen Gaspedale.“ Ah ja, weswegen wir nie Parkplätze brauchen.
Periodischer Bedarf (Nahrung, Seife, Windeln, Klopapier …) macht etwa 50 % des Umsatzes, und das soll in den Wohngebietszentren noch verkauft werden. Das ist der Beitrag der GMA zur Verkehrsvermeidung. Der Rest ist „zentrenrelevant“. Früher gab es in Lobeda sogar einen Buchladen!
Auch in Thüringen wird die Versorgung im aperiodischen Bereich in kleineren Städten schrumpfen, sagt der Handelsspezialist. Gegenwehr scheint er für aussichtslos und unnütz zu halten.
„Mehr Komfort führt zum Wechsel des Verkehrsmittels.“ Holl meint, wenn der Bus schöner ist, fahren mehr Leute damit. Man merkt, dass er aus Schwabe‘ kommt. Hierzulande fahren Leute mit dem Bus, wenn einer fährt. Gibt es wirklich Leute, die sagen: „Die haben jetzt so schöne blaue Polster in den Bussen – lassen wir das Auto stehen und fahren Bus! Man gönnt sich ja sonst nichts.“

11. Entwicklungskonzeption für die ländlichen Ortsteile und historischen Ortskerne der Stadt Jena

Vorlage: 15/0411-BV [ca. 20:00 Uhr]
Fr. Girlich vom Büro Schriewer+Schriewer
Das sind nicht weniger als 386 Seiten, auf denen akribisch Stärken und Schwächen der Ortsteile gelistet sind – für Maua etwa der Sportplatz nebst Vereinshaus – die auf der Kann-weg-Liste der Stadt stehen, weil man da mal Geld reinstecken müsste.
Die Bürgermeisterin Elisabeth-Maria Meyer von Ilmitz bedankt sich wortreich, dass sie nach 20 Jahren eine Busanbindung bekommen haben. Ein wenig schimpft sie auf die Zugezogenen, die ihrerseits über Aspekte des dörflichen Lebens schimpfen: „Die Tiere waren eher da als die Leute, die zugezogen sind, und wenn’s ihnen nicht gefällt, müssen sie wegziehen.“ – In Ilmnitz scheint es Kuhfladen zu geben.
Die Vorlage wird auf vier Wochen vertagt, damit die Ortsteilräte Zeit zur Befassung haben.
Die Entwicklungskonzeption bezieht sich vorrangig auf die historischen Ortslagen, sagt Lerm, weswegen man das Gewerbegebiet von Maua nicht betrachten mag. OTB Sandro Dreßler stört mal wieder, indem er die Interessen seines Ortsteils vertritt.

12. Satzung des Beirates für die Belange des Radverkehrs (Beirat Radverkehr)

Vorlage: 15/0412-BV [ca. 21:00 Uhr]
Die AG Radverkehr hat die Veröffentlichung ihrer Protokolle von sich aus in die Satzung geschrieben. Geht doch, zumindest bei den Radfahrern. Das spart uns die Kampfabstimmung.
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13. Sonstiges

Frank Cebulla weist auf unsere Stellungnahme zur Vorhabenliste der Stadt hin und empfiehlt eine Diskussion im SEA.


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