Tagesordnung:
Auch hier sind wir 17:02 noch nicht beschlussfähig – SPD und Grüner fehlen noch. Das mit der Pünktlichkeit scheinen wir irgendwie überzubewerten.
Öffentlicher Teil
1. Tagesordnung
Elisabeth Wackernagel (CDU) als Vorsitzende schlägt vor, TOP 4 und 5 zusammen zu beraten, getrennt abzustimmen – was sinnvoll ist. Sie lässt das aber nicht abstimmen.
2. Protokollkontrolle
mehrheitlich bestätigt
3. Verkehrliche Würdigung der Varianten zur Querung der Karl-Liebknecht-Straße im Bereiche der Landfeste/Camsdorfer Brücke
Das Thema war vor der Sommerpause vertagt worden, um Alternativen zu prüfen. Ich hatte außerdem eine Stellungnahme der Oberen Naturschutzbehörde gefordert. Unterlagen haben wir zu diesem Thema nicht bekommen. Ansonsten könnte man ja in Ruhe darüber nachdenken. Oder merken, was mal wieder fehlt.
Es gibt eine Präsentation aus dem Fachdienst Verkehrsorganisation. Auf der Folie steht zwar „Apelt“, aber der trägt nicht vor. Den Namen seines Vertreters bekomme ich leider nicht mit.
Bisher hat man vor allem argumentiert, es handle sich um einen Unfallschwerpunkt. Jetzt hat man ein neues Argument gefunden: die Verkehrsbelegung. Zwischen 7 und 8 am Morgen queren 766 KFZ die Brücke und 124 Räder die Straße. Außerdem blendet die Sonne, falls sie scheint. Zunächst referiert der Vortragende die Verkehrsunfälle für Gesamtjena: 2015 wurden 49 Leute schwerverletzt. Verursacht wurden die Unfälle 12x durch Radfahrer, 5x durch Fußgänger, 4x durch Motorräde und 4x durch PKW. Bei den Leichtverletzten sieht es ähnlich aus – davon gab es 363. Die Unfälle wurden 53x von Radfahrern, 39x von Fußgängern verursacht (die restlichen Zahlen habe ich nicht geschafft). 2014 sah es ähnlich aus. Ergo: Die meisten Unfälle werden in Jena von Radfahrern verursacht, und deshalb muss man endlich etwas für sie tun. Immer, wenn sich eine Gruppe von Verkehrsteilnehmern besonders leichtsinnig verhält, verbessert man die Bedingungen für sie – siehe Ampel in Winzerla. Sollte man vielleicht mal den Autofahrern sagen …
2015 gab es 8 Unfälle, davon 3x mit Personenschaden, 3x mit Leichtverletzten, auf der Kreuzung an der Camsdorfer Brücke. Je weiter man in der Zeit zurückgeht, umso mehr Unfälle summieren sich an der Camsdorfer Brücke auf. Wie überall. Mein Lieblingsfall: Zwei Radfahrer sind – verkehrswidrig – auf dem Fußweg am Steinweg zusammengefahren. Wie man das mit einer Unterführung in Querrichtung verhindern will, verstehe ich beim besten Willen nicht. Die Kreuzung ist per Definition eine Unfallhäufungsstelle (>5 Unfälle/36 mon oder 3 gleiche Unfälle/12 mon). Die Querungsstelle für Räder ist „noch keine“ Häufungsstelle (Hört, hört!).
Frau Zimmermann (noch eine Vertreterin) erklärt, der Weg am Wenigenjenaer Ufer sei nicht sicher. Ich kenne wenige, die gemütlicher sind. Man hat zum Vergleich verschiedener Lösungen eine Bewertungsmatrix gewählt. Als Kriterien wurden genutzt: Beeinträchtigung von MIV/ÖPNV, Akzeptanz durch Radler und Fußgänger, Zunahme der Verkerhssicherheit, Biotopeingriff, Wirtschaftlichkeit (Kosten). Eine Ampel an der Grünen Tanne wäre keine Lösung (weil das Wenigenjenaer Ufer so gefährlich ist), eine Brücke parallel zum Bahndamm wäre teuer und setzt die Fällung von 22 Bäume voraus, alle Markierungen werden als „Scheinsicherheit“ abgelehnt. Die Querungshilfe am Bahndamm ist beinahe gut – aber sie wäre zu kurz für Tandems und Räder mit Anhänger. Wie viele davon pro Stunde kreuzen, weiß man nicht. Außerdem wäre die Stelle da zu unübersichtlich für Kinder und Jugendliche, die diese Komplexität nicht übersehen könnten. Bisher ist da noch nie ein Kind zu Schaden gekommen, aber das könnte praktisch jeden Tag passieren. Das ist mal eine faktenbasierte Argumentation.
Da bleibt dann ganz automatisch nur noch die Unterführung übrig. Die Kosten hat man 2011 auf 160.000 € geschätzt, was sich ziemlich wenig anhört. 7 % der Biotopfläche würden der Maßnahme zum Opfer fallen; allerdings sind da Baumfällungen wegen der Verkehrssicherungspflicht noch nicht dabei. Die Längsneigung von 9,3 und 9.9 % hält man für akzeptabel für den Radverkehr. Der FD Recht hält den Eingriff im Sinne des Gemeinwohls für vertretbar. Und überhaupt – das „“Querungsbedürfnis ist da“.
Reinhard Wöckel (Linke) fragt, ob das alles gewesen sein soll. Man habe sich auf die Darstellung der verkehrsrechtlichen Situation beschränkt. Er kritisieirt auch, dass verkehrswidriges Verhalten hier als Normalfall behandelt wird. Vor allem aber stört ihn, dass eine naturschutzfachliche Würdigung fehlt.
Christian Gerlitz (SPD) muss ihn erst einmal zurechtweisen. Verkehrszähler könnten doch nicht jeden darauf hinweisen, dass er regelgerecht fahren soll. Den Eingriff in das Biotop mache angeblich keiner gern, aber der Rest wäre halt wichtiger und müsste endlich gemacht werden.
Mein sachkundiger Bürger Frank Cebulla bezweifelt die 7 %, weil die Bauarbeiten stören, die Stadt bei der Baum“pflege“ ohnehin recht fröhlich mit der Motorsäge hantiert und Lärm, Müll und freilaufende Hunde durch die neuen Gäste im Biotop noch hinzu kämen.
Ich weise erst einmal darauf hin, dass Umweltschutzgesetze keine unverbindlichen Empfehlungen sind und es herausgeschmissenes Geld wäre, ein nicht genehmigungsfähiges Projekt zu planen. Ich frage, warum man keine Maßnahmen für den eigentlichen Unfallschwerpunkt, also für die Kreuzung, plant und wo die Stellungnahme der oberen Naturschutzbehörde bleibt. Außerdem würde ich gern wissen, ob man die Querungshilfe nicht nach Osten verschieben könnte. Elisabeth Wackernagel weist mich gleich zurecht: Das müsste doch klar sein, weil da die Straßenbahn noch mitten auf der Straße fährt – das hätte man doch schon vor Jahren diskutiert. Aha, Fragen sind verboten, wenn sie vor 8 Jahren schon mal besprochen wurden. Die anderen beiden werden auch nicht beantwortet. Aber es ist ziemlich klar, dass keiner bei der oberen Naturschutzbehörde auch nur angefragt hat. Ich übernehme das am Tag darauf.
Heiko Knopf (Grüne) referiert weiträumig, dass er nicht weiß, was er tun soll. Das Linksabbiegen wäre für Radfahrer mit Unterführung schwieriger, weil man einen Schnörkel fahren muss (wie auf einem Autobahnkreuz). Er freut sich, dass in diesem Gremium viele Parteien „fast so grün sind wie dei Grünen“. Mein Sachkundiger und ich grinsen uns an. Wann immer jemand im Ausschuss auf Naturschutz herumreitet, sind es Piraten.
Siegfried Ferge (BfJ) meint, man sollte zuerst die Unfallschwerpunkte angehen, die Herr Apelt im Radverkehrsbeirat vorgestellt hat. Diese Querung sei keiner. Klingt nicht unlogisch.
Lutz Jakob vom Rad-Beirat ist für die Unterquerung. Er behauptet, dass noch viel mehr Radfahrer die Strecke nutzen würden, wenn es die Unterführung gäbe, man also nicht nur mit 150 rechnen dürfe. Dafür gibt es zwar keinerlei Anhaltspunkte, aber man kann es ja mal behaupten. Alles, wo der Radfahrer absteigen muss, sei keine Radverkehrsanlage. Wenn sich Radwege und Straßenbahnschienen kreuzen, ist das freilich auch kein Problem (z. B. am Burgaupark). Unter der Brücke wachse ohnehin nichts, die 7 % seien also übertrieben, und außerdem gäbe es da invasive Arten (das Drüsige Springkraut). Der Beirat war 9:1 für die Unterführung.
Das kontert Frau Ziegler-Ditschler vom NABU: Ein Umweltgutachten sei nötig und würde im Übrigen 200.000 € kosten, die in der Planung nicht erwähnt werden. Das Große Mausohr wohnt unter der Brücke hat da Nachwuchs. Das Drüsige Springkraut ist ein bekanntes Problem, sage aber nichts über den Wert des Biotops als Ganzes.
Elisabeth Wackernagel hat schon mehrfach versucht, die Debatte abzuwürgen, weil wir ihren unrealistischen Zeitplan nicht einhalten. An dieser Stelle gelingt es ihr, ohne dass irgendeine Frage wirklich geklärt wäre.
4. Abwägungsbeschluss zum zweiten Entwurf des Bebauungsplans B-Lo 08 „Kastanienstraße“
Vorlage: 16/0982-BV
Elisabeth Wackernagel erklärt, dass der OTR Lobeda das Projekt empfehle. Sie ist praktisch in jedem Gremium der Stadt.
Frank Cebulla fragt natürlich nach dem Baumschutz.
Ich habe eine richtig lange Liste von allen möglichen Fragen. Manche klären sich. Aber Frau Rietz vom Dezernat 3 ist sichtlich genervt und glaubt mir noch nicht einmal, dass Jenawasser definitiv nicht für die Energieversorgung zuständig ist (vermutlich ein reiner Schusselfehler, den man zugeben könnte, wäre man nicht überzeugt, rund hundertmal mehr Ahnung von allem zu haben als irgendein Stadtrat der Opposition). Warum man auf dem recht großen Grundstück keine Baumersatzpflanzungen festlegen kann, wird nicht beantwortet. Auch nicht, warum das Bodengutachten nicht etwa veröffentlicht wird, sondern im Dezernat auf Nachfrage eingesehen werden kann. Die Möglichkeit, die notwendige Stellplatzzahl zu reduzieren, widerspricht der Stellungnahme des OTR – das, erfahre ich, sei halt kompliziert, und ein Teil der Stellplätze werde ja noch gar nicht überbaut. Da sind mir noch zu viele Lücken.
6/0/1 – ich enthalte mich
5. Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan B-Lo 08 „Kastanienstraße“
Vorlage: 16/0983-BV
7/0/0 – mit dem Projekt an sich habe ich eigentlich kein Problem.
Herr Wolfrum von jenawohnen bietet eine kurze Präsentation des Planes an. Seltsamerweise hat die Vorsitzende plötzlich kein Problem mehr mit ihrem Zeitplan. Kommt halt immer darauf an, wie unangenehm die Debatte gerade ist.
Der Architekt vermittelt mir wieder einmal das Gefühl, in ein Paralleluniversum geraten zu sein. Ein Teil des Gebäudes wird wegen Beziehungen zur Lobeburg, dem Lobdepark und der Stadt gegen die Straßenflucht verdreht. Muss man nicht verstehen. Was hat die 4 km entfernte Stadt damit zu tun? Man könnte auch sagen: Sieht irgendwie spannender aus. Aber das wäre zu volkstümlich. Im Erdgeschoss sollen Garagen entstehen (eine Art Tiefparterre), im ersten Stock dann gewerbliche Nutzungen, öffentlicher Raum, vielleicht ein Café. Die technischen Aufbauten verschwinden in einem Zwischengeschoss, und das ist mal eine gute Nachricht.
6. VBB-Am 02.1 Betriebserweiterung der Jenaer Antriebstechnik – Antrag auf Erweiterung des Geltungsbereiches, Veränderung der Planungsziele und Erstellung eines 3. Planentwurfes
Vorlage: 16/1022-BV
Der Geschäftsführer, Herr Preuß, trägt das Projekt selbst vor, und er ist begeistert von seiner Firma. Die beschäftigt immerhin 130 Mitarbeiter und hat 2015 1 Mio. € Gewerbesteuer gezahlt. „Wir würden das gern fortsetzen“, sagt er. Derzeit nutzt man 48 % erneuerbare Energie und rund. 0.5 t Kaffee/Jahr für die Arbeit. Das „organisches Gebäudewachstum“ sei „als Gebäude ganz fürchterlich“. Man hat im Schott-Areal eine Halle gemietet, aber das ist ein ungünstiger Zustand. Sie wollen alles wieder an einen Standort bringen.
Man müsste Wasser abpumpen, um nicht abzusaufen. Die 2000 l/d dienen zur Gründachbewässerung und Kühlung. Die bewässerten Flächen sind nicht nur so kühl wie die Wiese ringsum, sondern wuchern auch so üppig, dass man darüber nachdenkt, Rasen einzusehen und gelegentlich zu mähen. Das neue Gebäude wird vollständig emissionsfrei, Heizung/Kühlung erfolgt mit Erdwärme – nicht unter Wiese, sondern unter dem Gebäude. Es klingt so positiv, dass man es kaum glauben mag.
Der OTR Ammerbach hat das Projekt empfohlen, der OTR Süd noch nicht getagt. Wenn der OTB im Urlaub ist, scheint da keiner geschäftsfähig zu sein. Ich erfahre, dass das Grundstück zwar zur Ammerbacher Flur gehört, aber zum Ortsteil Jena-Süd. Wir beschließen trotzdem, das fehlende Votum zu ignorieren.
Es wird übrigens eine Auslegung mit Umweltgutachten, weil erhebliche Eingriffe in die Natur vorliegen – auch wenn man behutsam vorgeht.
7/0/0
7. Informationen aus dem Dezernat Stadtentwicklung & Umwelt
Vortrag am 15.11. im Plenarsaal, 19:00 – „Lebenswerte Stadt – Schöner urbaner Raum: Eigneschaften gut gestalteter urbaner Räume aus Sicht der Wahrnehmungsästhetik (Ralf Weber, TU Dresden) – könnte angesichts unserer kehrmaschinengerechten Freiflächen interessant sein.
Außerdem ist am 04.11. die nächste öffentliche Veranstaltung zum Eichplatz. Vormerken!
8. Sonstiges
Reinhard Wöckel hat noch zwei Beschwerden von Bürgern. Die Ansagen der Straßenbahn am Löbdergraben seien zu laut, insbesondere frühmorgens und wochenends. Die Bürger haben sich schon an jenah gewandt, aber erfolglos.
Am Heiligenberg (Auffahrt zum Jägerberg) ist eine Tempo 30-Zone, es wird deutlich schneller gefahren. Da will man offenbar Geschwindigkeitskontrollen.
19:44 Uhr ist Schluss.