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Channel: Stadtentwicklungsausschuss – PIRATEN Jena
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SEA 08.02.2018: Der Bürger als Pferd

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Wenn die Stühle auf der nördlichen Seite des Plenarsaals restlos besetzt sind, dann weiß man, dass es in der Bevölkerung brodelt. Es brodelt ganz offensichtlich. Einige Stadträte haben offenbar auch Post bekommen. Bei uns ist nichts eingetrudelt. Vielleicht hätte man es doch mit e-Mail versuchen sollen.
Ich muss feststellen, dass der Laptop noch in der Schublade auf Arbeit liegt, weil ich ihn wegen eines Dienstgangs tagsüber gegen den firmeneigenen austauschen musste. Falls der Bericht hier Lücken hat – auf Papier bin ich deutlich langsamer.

Öffentlicher Teil

1. Tagesordnung

Es gibt die vorhersehbaren Anträge, die TOP 4 und 5 sowie 7 bis 9 zusammen zu behandeln. Dagegen gibt es keine Einwände. Außerdem wird TOP2 nach hinten geschoben, um nicht die gesamte Bürgerschaft wieder vor die Tür schicken zu müssen.

3. Protokollkontrolle

mit einer Enthaltung bestätigt

4. Antrag auf Einleitung eines Verfahrens zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes „Singer Höhen“

Vorlage: 18/1661-BV

5. Einleitungsbeschluss für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan VBB-J 35 „Singer Höhen“

Vorlage: 18/1662-BV
Herr Völkel, Vorstandsmitglied der Jenerar Baugenossenschaft, trägt zum Thema vor. Die Fläche habe die Genossenschaft schon 1904 zwecks Wohnungsbau erworben. Von Analyse&Konzepte, der Firma, die die fragwürdigen Untersuchungen zu Mietspiegel und Kosten der Unterkunft macht, hat man sich eine Zielgruppenanalyse machen lassen. Deshalb zielt man auf Familien, die sich gerade so noch kein eigenes Haus leisten könnten – aber 10,50 €/m² Miete. Auf 5200 m² sollen 50 Wohnungen entstehen. Billig wird das nicht. Zwischen der Straßenrandbebauung der Dornburger Straße und dem Nordfriedhof soll eine Reihe von Häusern mit 3 bis 7 Stockwerken entstehen. Dazu gibt es 58 Stellplätze, was angesichts der Wohnungsgrößen vermutlich unterdimensioniert ist. Wegen der starken Hanglage wird das unterste Stockwerk hangabwärts jeweils die Tiefgarage sein. Der Architekt, Herr Wittenberg, beklagt sich über die Darstellung der Presse, in der die Häuser zu hoch seien. Sie haben eine eigene aus Richtung Süden gemacht, die eigentlich recht harmlos aussieht.
Christoph Vietze (SPD und OTB Nord) trägt vor, dass man schon mehrfach beraten habe. Es gibt einen Änderungsantrag zum Beschluss, der im wesentlichen den Stand des gegenwärtigen Entwurfs festschreibt: Klinkerfassade, 7 Etage bzw. 174 m üNHN für das nördlichste Haus und zurückgesetzte Staffelgeschosse ganz oben.
Die Gegenrede hält Herr Laudin von der eilends gegründeten BI gegen überdimensionierte Bebauung am Nordfriedhof. Der kritisiert die massive Häuserfront und meint, es habe vielleicht einen Grund, dass 114 Jahre nicht gebaut worden sei. Er verweist auf den Biotopcharakter der jetzigen Freifläche und den Wertverlust der Eigentumswohnungen an der Dornburger Straße (rechtlich ist das die schärfste Waffe, wenn auch nicht unbedingt die sinnvollste). Man habe argumentiert, das Areal solle „aufgewertet“ werden, aber die Bewohner hätten keinen Bedarf an Aufwertung. Er lädt den Ausschuss zu einem Ortstermin auf seinem Balkon ein – das könnte eng werden. Er hat eine Visualisierung aus Richtung Norden dabei, die ziemlich schlimm aussieht. Da steht das Hochhaus.
Herr Vietze kontert das mit dem üblichen Argument, dass die Sitzungen des OTR ja öffentlich seien und jeder Bürger die Möglichkeit gehabt hätte, sich dort zu äußern. Aber die seien nicht da gewesen.
Herr Völkel nennt das Biotop hinter den Häusern einen „Zustand, der städtebaulich nicht zu gebrauchen ist“ und wird grundsätzlich. „Wir leben in einem urbanen Gebiet, und da wird gebaut!“ Und: wir müssten uns entscheiden, ob wir in einer weiterhin wachsenden oder einer schrumpfenden Stadt wohnen wöllten – dieses Argument kenne ich bisher nur vom Bauunternehmer Drösel. Es muss eine bauträgerspezifische Wahrnehmungsstörung sein, die ein etwas geringeres Wachstum wie Schrumpfung aussehen lässt. Er schließt mit der Aufforderung, „die Hufe stillzuhalten“. Ich glaube, ich höre nicht recht. Der Architekt, Herr Wittenberg, schiebt nach, man müsste schließlich die vorhandenen Versorgungsanlagen ausnutzen.
Reinhard Wöckel (Linke) geht es ähnlich wie mir. Er findet das Auftreten streng unangemessen. Er möchte die Fehler von Zwätzen nicht wiederholen, spricht sich für einen Ortstermin und eine Verschiebung des Beschlusses auf die nächste Sitzung aus.
Dezernent Denis Peisker beschwichtigt: Er habe noch kein Bauvorhaben erlebt, das bereits vor dem Aufstellungsbeschluss so viele Sitzungen verursacht habe. Er habe auch noch keines erlebt, bei dem es bereits vor dem Aufstellungsbeschluss einen Kompromissvorschlag gäbe.
Rhetorik kann ich auch: Ich habe noch kein Bauvorhaben erlebt, das schon vor dem Aufstellungsbeschluss einen derartigen Bürgerauflauf verursacht.
Auch ich fühle mich wie in einer Neuverfilmung der Bürgerversammlung von Zwätzen, wo der Stadtarchitekt die Bürger beleidigte. Ich finde, man sollte sie ernst nehmen. Deshalb unterstütze ich die Wöckelschen Anträge. Außerdem beantrage ich, den Punkt 003 zu streichen – das ist die Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes im beschleunigten Verfahren. Nebenbei rege ich mich ein wenig über den Vorhabenträger und seine Unsinnsargumente auf.
Herr Kühn (Sachkundiger der SPD) erklärt, im Flächennutzungsplan stünde, dass das Gebiet für Wohnen vorgesehen sei, er fände die Bebauung maßvoll und sähe keinen Grund, den Beschluss aufzuschieben.
Von Heiko Knopf (Grüne) kommt ein weiteres Standardargument: Das Verfahren beginne ja gerade erst, und wir hätten den „gesamtstädtischen Auftrag“, Wohnraum zu schaffen. Außerdem sei es ja kein Aufstellungsbeschluss, sondern nur ein Einleitungsbeschluss. (Was inhaltlich völlig gleich und stilistisch Teil des städtischen Neusprechs ist.)
Mein Sachkundiger Bürger Frank Cebulla kritisiert, dass die als „vorliegend“ aufgeführten Gutachten zumindest den Stadträten nicht vorliegen, fragt nach dem Abstand zum Friedhof und möchte wissen, ob die Visualisierung der Bürgerinitiative realistisch sei.
Frau Rietz (Dez. 3) erklärt uns, es gäbe schon ein Artenschutzgutachten. Das sei Grundlage für die Beschleunigung des Verfahrens gewesen (ist also auch Grundlage für die Beschlussvorlage, sollte uns also vorliegen …). Sie meint offenbar, es sei ausreichend, wenn das Ganze ihr vorliege.
Herr Völkel findet den Abstand zum Friedhof ausreichend und stellt am Südende eine „Pietätsstruktur“ in Aussicht, was wohl eine Friedhofsmauer meint. Der Architekt regt sich über die Frage nach dem Realitätsbezug der BI-Visualisierung auf, beantwortet sie aber nicht.
Rosa Maria Haschke (CDU) fragt, ob man einen Anteil für preiswertes Wohnen einplanen könnte.
Herr Völkel denkt nicht dran. Praktisch der gesamte andere Wohnungsbestand der Genossenschaft seien Sozialwohnungen mit 7,50 €/m² Miete (was ein ganzes Stück über dem preiswerten Bereich liegt – für bis zu 75 m² bzw. 3 Personen liegen die angemessenen Kosten der Unterkunft unter 6 €/m². Erst bei 5 Personen wären die 7,50 € angemessen.), da müsste man das bei diesem Vorhaben nicht auch noch machen. Ein Herzchen.
Friedrich-Wilhelm Gebhardt (SPD) tut, was er immer tut: Er watscht mich ab. Er kann nicht verstehen, warum ich das Gefühl hätte, die Bürger fühlten sich nicht ausreichend berücksichtigt. Kleiner Tip: Sie säßen da nicht, sähen sie ihre Interessen berücksichtigt (Was Reinhard Wöckel auch so sagt). Er meint, es habe ja genug OTR-Sitzungen gegeben. Dass Sitzungen nicht notwendig dazu führen, dass sich etwas zugunsten der Bürger ändert, wissen wir spätestens seit der Eichplatz-Auseinandersetzung.
Und so geht die Sache aus:
GO-Antrag Wöckel auf Vertagung des Beschlusses: 2/6/1 – die zweite Ja-Stimme kommt von mir, die Enthaltung von Fr. Haschke
TOP4: 7/1/1 (bei diesem enthalte ich mich)
ÄA Jänchen (Streichung des beschleunigten Verfahrens): 2/6/1 (siehe oben)
ÄA OTR (Festschreibung einiger Eigenschaften): 7/1/1 – Enhaltung von mir, weil unter anderem der 7-Geschosser drinsteht, der für mein Gefühl der Stein des allgemeinen Anstoßes ist.
TOP5: 7/2/0 – Reinhard Wöckel und ich verweigern die Zustimmung.

6. Investorenauswahlverfahren Eichplatzareal – Matrix zur Wertung der Angebote

Vorlage: 18/1672-BV
Am meisten wundert mich, dass die Matrix, die in der Beteiligungswerkstatt als Staatsgeheimnis behandelt wurde, jetzt auf einmal öffentlich ist. Das Vergaberecht verlangt, dass der Kaufpreis in die Wertung eingeht, und zwar mit mindestens 30 %. Da ist er auch gelandet. Ebenso stark geht der Komplex „Architektur und Städtebau“ ein. Mit weiteren 20 % geht der „Stadtgesellschaftliche Nutzen“ ein. Für diese beiden Punkte gibt es eine zusätzliche Hürde: Wer nicht mindestens 50 % der Punkte erreicht, ist aus dem Rennen. Außerdem geht der Preis weniger als linear ein. Ab einer gewissen Mindesthöhe steigt die Wertung dafür sehr langsam. Damit will man verhindern, dass man mit viel Geld alle anderen Kriterien aushebeln kann.
Siegfried Ferge (BfJ) fragt nach, ob es in der Vergabe auch noch die Chance gäbe, auf der Basis von Erbbaurecht zu vergeben. Natürlich nicht, denn die Koalition hat entschieden, dass verkauft werden soll. Das kann man mit der Wertung nicht mehr ändern.
Herr Köhler (Sachkundiger der CDU) will wissen, wer die Architektur-Punkte vergäbe. Er sorgt sich, weil die Akzeptanz sehr verschieden sei.
Dafür wird es ein Entscheidungsgremium mit Architekten, Verwaltungsmitarbeitern, Stadträten und auch zwei Vertretern der Bürgerwerkstatt geben. In der Werkstatt sollen die Entwürfe tags zuvor diskutiert und das Ergebnis mitgenommen werden.
Friedrich-Wilhelm Gebhardt (SPD) meint, über Architektur gäbe es nun mal verschiedene Meinungen. Was auch immer das heißen soll.
Da ich in der Diskussion der Bürgerwerkstatt dabei war, erkläre ich, dass es da gar nicht so verschiedene Meinungen gab. Vor allem, und da waren sich alles einig, soll es nicht langweilig und beliebig sein. Es soll auf den ersten Blick klar sein: Das ist Jena. Das gebe ich allen als Auftrag mit. Man weiß ja nicht, wer am Ende in dem erlesenen Gremium sitzen wird.
Reinhard Wöckel (Linke) will wegen der Festschreibung des Verkaufs nicht zustimmen.
Ich bin mir uneins. Einerseits achte ich die Entscheidung der Bürgerwerkstatt, die verglichen mit dem letzten Verfahren eine deutliche Verschiebung in Richtung Qualität gebracht hat. Das ist gut. Den Verkauf finde ich auch falsch, weswegen eine Kriterienfestlegung für den Verkauf auch nicht zustimmungsfähig ist – was bei mir zu einer halbherzigen Enthaltung führt.
7/1/1

7. Kommunikationskonzept zur kontinuierlichen Begleitung des Investitionsvorhabens der Firma ZEISS u. a.

Vorlage: 17/1618-BE

8. Zentrales Projektmanagement für ZEISS-Vorhaben und weitere Großprojekte

Vorlage: 17/1622-BE

9. Investitionsvorhaben der Firma ZEISS: Zeitplan und bauliche Rahmenbedingungen

Vorlage: 17/1615-BE
Hier haben wir drei mehr oder minder unausgegorene Konzepte. Man könnte es mit „Wissen wir selbst noch nicht so genau“ zusammenfassen. Es soll eine spezielle Projektmanagementgruppe geschaffen werden, die die diversen Großprojekte der Stadt koordiniert und im Bereich des OB angesiedelt werden soll. Ob man sie intern besetzen oder Spezialisten von außen holen will, ist dagegen noch unklar.
Mit viel Enthusiasmus erklärt die Pressesprecherin der Stadt, Frau Putz, wie die Kommunikation aussehen soll. Es ist ja schön, dass man sich darüber überhaupt Gedanken macht. Zielgruppe sind Bürger, Gewerbetreibende und Pendler. Der Bürger solle „mitgenommen und Ängste abgebaut“ werden. Probleme lösen könnte man allein mit Kommunikation natürlich nicht (weise Erkenntnis). Es solle nicht jedes Projekt einzeln kommunizieren, sondern alles über einen einheitlichen Kanal laufen. Man müsste vor allem die Chancen darstellen.
Elisabeth Wackernagel (CDU) moniert, man könnte das alles auch übersichtlicher darstellen.
Siegfried Ferge (BfJ) meint, es seien natürlich im Dezernat 3 Veränderungen nötig.
Ich lobe zwar erst einmal, dass es überhaupt einen Planung für die Kommunikation gibt, möchte aber darauf hinweisen, dass es mehr ein Marketingkonzept ist. Marketing hat genau eine Richtung, Kommunikation dagegen müsste in beide Richtung funktionieren. Man sollte den Bürgern nicht nur erklären, was man vorhat, sondern aktiv ihre Wünsche und Interessen abfragen. Gerade der Ausbau der Wagnergasse, der als Best-Practice-Beispiel aufgeführt ist, ist mir anders in Erinnerung. Da begann die Kommunikation mit einem Flugblatt der Piraten und der Selbstorganisation der Betroffenen.
Fr. Wackernagel stellt daraufhin eine allgemeine Unzufriedenheit fest, obwohl ihr die Meinung der Bürger sonst herzlich egal ist.
Herr Köhler (Sachkundiger der CDU) referiert das Positionspapier, das er zusammen mit Benjamin Koppe und Guntram Wothly (beide CDU) eingereicht hat. Vermutlich ist es der Auftakt der Landtagswahlkampfes. Man kann einen Tipp abgeben, wer die jungen Hoffnungsträger der CDU sein werden. Im Grunde ist es nur die Feststellung, dass die diversen Bauvorhaben koordiniert werden müssen – und fleißig zusammenkopiert. Vor zwei Monaten gab es mit dem Brief von Clemens Beckstein schon ziemlich genau die gleichen Fragen, und etwa die Hälfte steht erheblich gründlicher in unserer Großen Anfrage vom letzten Monat. Die einzige konkrete Ansage ist, dass der Eichplatz gefälligst mit einem Mal zu bebauen sei – was ich wiederum grundfalsch finde. Ich bin dafür, sich Zeit zu lassen damit. Vielleicht sind die Befindlichkeiten in 20 Jahren ja wieder anders …

Nicht öffentlicher Teil

2. Protokollkontrolle nicht öffentlich
mit einer Enthaltung bestätigt.

10. Informationen aus dem Dezernat Stadtentwicklung & Umwelt

die üblichen Termine

11. Sonstiges

Rosa Maria Haschke (CDU) möchte, dass der Kahlschlag im Lommerweg im Ausschuss behandelt wird. Offenbar hat es dazu schon eine Veranstaltung gegeben, die von Reinhard Wöckel ausdrücklich gelobt wird.

20:04 Uhr sind wir tatsächlich schon durch.


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