Nachdem der Stadtrat sich ursprünglich sogar geweigert hatte, die Jänchen-Lenkert-Beckstein-Vorlage zum Beleuchtungskonzept an den Stadtentwicklungsausschuss zu verweisen, hat man nun nicht nur den, sondern auch noch Kulturausschuss und Naturschutzbeitrag zur Präsentation der Studie eingeladen. Letzterer tritt vehement für die Belange der belebten Natur ein, während der Kulturausschuss ein bisschen überfahren wirkt.
Die Lichtfachleute von der TU Berlin fangen beim Urschleim an. Ich langweile mich, weil ich all das schon gehört habe (nicht nur im KSJ-Werkausschuss – ich beschäftige mich jetzt seit fast zwei Jahren mit dem Thema). Aber ich möchte kein Risiko eingehen, zumal meine beiden Miteinreicher verhindert sind.
Hier noch ein paar Erkenntnisse:
- Nur etwa 9 % der 13.161 Jenaer Leuchten sind technische LED-Leuchten, also solche mit einer lichtleitenden Optik vor der LED, die dafür sorgt, dass das Licht dort landet, wo es hingehört. Der Rest sind sehr viele hingemurkste Retrofits und ein paar alte Gasentladungslampen.
- Die Umrüstung auf die LED-Lampen hat sich bereits amortisiert. Inzwischen spart die Stadt eine halbe Million jährlich.
- Man hätte allerdings, damit keine Schattenlöcher auf den Straßen entstehen, die Leuchtpunkt (Laternen)-Abstände anpassen müssen.
- 40 % oder 155 km der Jenaer Straßen sind Tempo 50, 231 km Tempo 30, und 34 km sind Radwege. Sie haben ganz unterschiedliche Anforderungen an die Beleuchtung. Tempo 30 müsste man allerdings auch durchsetzen. Im übrigen seien Radfahrer viel schneller unterwegs als Fußgänger und brauchten deshalb mehr Licht. [Dass man diese Feststellung im Jenaer Rathaus nochmal hören darf …]
- Statt alles immer heller zu beleuchten, kann man die Sichtbarkeit von Objekten auch dadurch verbessern, dass man Blendquellen wie z. B. grelle Werbung, sinnlos angestrahlte Hauswände und ähnliches reduziert.
- Verkehr hingegen kann man vermeiden, indem man Lobeda und Winzerla am Abend gemütlicher beleuchtet, um Wohlfühlecken im Wohngebiet zu schaffen – statt immer nur die Berufspendler zu schikanieren.
- In Paderborn wird der Dom immer nur im Dezember angeleuchtet, und alle freuen sich darauf.
- Die Beleuchtungsqualität von Leuchten wird in aller Regel nicht geprüft. Die Hersteller behaupten irgendwas, und die Kaufer messen nicht nach – weswegen es viel Murks gibt.
- Alle Falter sehen kürzere Wellenlängen als Menschen, weil sie im Auge UV-Rezeptoren haben. Lichtfallen (die von Biologen für ihre Forschung genutzt werden) funktionieren mit UV am besten. Und wenn kein UV da ist, dann mit Blau. Rot und Grün interessieren die Falter nicht.
- Man muss überlegen, wozu man Licht braucht, und wenn einem nichts einfällt, soll man es ausschalten.
Die Leuchtenprofis aus Berlin hängen noch eine Werbeverkaufsschau dran und erzählen begeistert, was man alles tolles machen könnte, um die großartigste Straßenbeleuchtung Europas zu schaffen. Da leuchten auch die Augen des Kulturausschusses. Leuchten, die die Lichtverteilung bei nasser Straße anpassen, jahreszeitlich verschiedenfarbige Beleuchtung, nächtliches Herunterdimmen und Bewegungsmelder, die langsam hochregeln, auf wenig benutzten Strecken. Damit könnte man noch einmal 50 % Energie sparen.
Und die Moral von der Geschicht: Wir müssen mehr Geld in die Hand nehmen für die Beleuchtung. Aber wenn man gleichzeitig spätnachts dimmt, muss es im Betrieb nicht teurer werden,
Ich bin so dreist, mir ein Schlusswort zu gönnen: Wir wollten mit unserer Vorlage die Stadt nicht ins finstere Mittelalter stoßen, sondern eigentlich gemütlicher machen, indem wir für schönere Beleuchtung sorgen. Aber weil dann sofort das Argument höherer Kosten kommt, haben wir nach Möglichkeiten gesucht, die Sache zu finanzieren. Dabei sind wir auf viele andere Themen gestoßen: den Sternenhimmel, den Nachtschlaf und die Natur, der man wenigstens für einige Stunden in der Nacht eine Atempause gönnen sollte. Mehr Licht am frühen Abend und dafür weniger nach Mitternacht wären vielleicht ein guter Ansatz.
Der designierte Stadtentwicklungsdezernent Christian Gerlitz meint, es sei die erklärte Absicht der neuen Stadtspitze, Stadtratsbeschlüsse sehr ernst zu nehmen. Das merken wir uns.
Gegen 21:00 Uhr ist Schluss. In der Stadt ist nicht mehr viel los. Gute Gelegenheit, einen kritischen Blick auf die Beleuchtung der Straßen zu werfen.